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Der wahre Schüler

Im Allgemeinen versteht man unter dem Wort „Schüler“ eine Person, die eine Schule besucht bzw. jemanden, der den Lehren eines Lehrers bzw. einer Glaubensrichtung folgt. Die Art und Weise, wie ein Schüler sich zu verhalten hat und welche Anforderungen an ihn gestellt werden sind oft unterschiedlich und sehr kontextabhängig.

Gerade in den traditionellen Lehrmethoden der Kampfkunst ist es entscheidend, dass der Schüler sich seines Charakters und Lernbereitschaft bewusst ist, um eine optimale Entwicklung zu ermöglichen. Früher war es in Kampfkunstschulen nicht üblich, sich gegen Bezahlung ausbilden zu lassen. Dieser Weg (Geld gegen Ware/Dienstleistung) hätte den moralischen Gehalt der Schüler-Lehrer-Beziehung vernachlässigt, wobei doch genau darin ein Grundpfeiler des Lernens liegt. In solch einem klassischen Lehrweg wurde anfangs deshalb der Charakter stark geprüft, bevor es zum Training und der Weitergabe von Wissen kam. Alles, was dem Erreichen der Ziele der entsprechenden Kampfkunst im Wege steht, sollte im Vorhinein ausgemerzt werden, damit das Lernen bestmöglich stattfinden kann (Körper und Geist sollten ein optimales Gefäß sein für die Lehre).

Nach den Prüfungen für Charakter und Persönlichkeit gab es die Zeremonie der „zweiten Geburt“ und der Schüler wurde in die Gemeinschaft der Schule aufgenommen.

In der Ausbildung wurden Standhaftigkeit, Ausdauer, Kraft und Kampffähigkeit gekoppelt mit Schläue, Wendigkeit und der Fähigkeit, aus jeder unvorhergesehenen Situation einen Ausweg zu finden.

Das Ziel stellte die Ausformung einer vollwertigen Persönlichkeit dar, welche standhaft in physischer, psychischer und moralischer Hinsicht war, gekoppelt mit einer tiefgreifenden, universellen Ausbildung.

Traditionell dauerte eine solche (Vollzeit-)Ausbildung ca. 15 Jahre und hatte 3 Phasen (je 5 Jahre):

  • Vermittlung der Grundlagen

  • Festigen der Grundlagen

  • Individuelle Entfaltung

Heutzutage ist es kaum vorstellbar solch eine Lernsituation hier im Westen komplett zu etablieren. Sowohl aus kultur-historischen Gründen, charakterlicher Sozialisation und dem Anspruch auf hochindividuelle Persönlichkeitsentwicklung würde solch ein traditioneller Ansatz gnadenlos scheitern.

Aber darum geht es vielleicht auch gar nicht. Die Frage, die wir uns stellen können ist folgende: Was würde es mit uns machen, wenn wir uns von Aspekten der traditionellen Kampfkunst-Ausbildungen inspirieren lassen und schauen, wie wir das in unseren modernen (Trainings-)Alltag integrieren können?


Wer den Weg der Kampfkunst gehen möchte, geht den Weg der eigenen Vervollkommnung und Meisterschaft. Sich der eigenen Rolle als guter Schüler bewusst zu sein, ist elementar wichtig für jeden Entwicklungsschritt und persönlichen Erfolg.

Im Folgenden werde ich darauf eingehen, wie solch ein Charakter aussehen kann und worauf es bei der Lernbereitschaft ankommt.



„Ein Lehrer hält nach zwei Dingen Ausschau bei seinen Schülern:

den richtigen Charakter und ausreichend Willensstärke.“



Grundlagen


Es gibt 3 wesentliche Faktoren zum erfolgreichen Lernen und Erreichen persönlicher Ziele, die jeder gute Schüler kennen und verinnerlicht haben sollte:


Wenn der Schüler die Absicht, den Inhalt und die Methode der Lehre kennt und erlernen will und ein guter Lehrmeister zur Verfügung steht, dann müsste der Schüler „nur“ vertrauensvoll den Anweisungen des Lehrers folgen, um zum Ziel zu kommen, oder? Eigentlich ganz einfach…

Durch das Internet und die große Auswahl an Lehren und Lehrern sollten wir doch leicht das finden, was uns anspricht und dann mit dem Lernen beginnen können. Doch aus verschiedenen Gründen gelingt das den meisten Übenden nicht. Viele Schüler wollen zu schnell das Ergebnis haben (z.B. Kämpfen können, doppelte Saltos, Inneren Frieden usw.), gleichzeitig wollen sie aber nicht den dazugehörigen Weg gehen. Wenn die gewünschten Erfolge nicht zeitnah eintreten, brechen sie meist ab und suchen sich etwas, was schneller zum Erfolg führt. Zu schnell wird dem Stil, der Lehre oder dem Lehrer/Meister die „Schuld“ gegeben, dass nicht die gewünschten Fortschritte erzielt werden.

Doch das ist nicht der Weg der Kampfkunst. Der Erfolg kommt, wenn der Schüler wirklich bereit ist für das Training. Gehen wir im Folgenden davon aus, dass die passende Lehre und ein guter Lehrer vorhanden sind. Dann ist der Schlüssel zum Erfolg die richtige Einstellung des Schülers.



„Der wahre Schüler sieht den Schlüssel zum Erfolg

in der Eigenverantwortung.“



Was braucht ein guter Schüler?

  • Achtsamkeit/Konzentration (vollständige Hinwendung auf das aktuelle Geschehen; nicht träumen, nicht grübeln, nicht zögern)

  • Entschlossenheit/Wille (Ausdauer, Beharrlichkeit und Geduld, nicht vorschnell aufgeben → keine Meisterschaft ohne starken Willen!)

  • Gelassenheit (Erkenntnis, dass Fehler normal sind und mit dazugehören → immer so gut es geht mitmachen, nicht mehr, aber auch nicht weniger)

  • Respekt/Vertrauen (Grundlage des Miteinander (kein Platz für Zorn, Eitelkeit, Neid), Zurückhaltung, Bescheidenheit)

  • Klarheit (klarer, kritischer Blick auf sich und die Welt)

Ohne diese Komponenten wird es keinen nachhaltigen und zufriedenstellenden Fortschritt geben!


Hürden auf dem Weg


Gerade in unserem Kulturkreis kommt es häufig zu folgenden Problemen: Ungeduld, Ablenkungen, Trägheit und die Angst etwas Besseres zu verpassen. Jeder von uns kennt diese „Alltagsdämonen“.

Der daraus resultierende Unlust nachzugeben oder sich ihr zu stellen ist eine der wichtigen Prüfungen in der Kampfkunst. Der Unlust nachzugeben, entzieht dem Schüler die Möglichkeit herauszufinden, ob er diesen Weg der Meisterschaft ernsthaft verfolgen möchte. Das Training sollte sowohl notwendig, als auch eine Bereicherung sein. Erst wenn der Schüler versteht, dass ihn nur ernste Gründe vom Training abhalten dürfen, kann er begreifen, worum es in der Kampfkunst geht: Körper und Geist gleichermaßen zu entwickeln. Dazu gehört auch die Überwindung des „illusorischen Ich“, welches den Menschen sabotiert, schwach macht und von Erkenntnissen fernhält. Das Lernen und Üben soll unabhängig vom Gefühl der Lust und Unlust sein. Ansonsten kann der Schüler niemals zum Kern der Kampfkunst-Lehre vordringen und die wahre Meisterschaft wird ihm verwehrt bleiben.


Auch wird es Zeiten geben, wo der Schüler an dem Lehrer zweifelt. Das ist ganz normal. Verschiedene Ansichten zu bestimmten Themen sollten aber nicht an dem Grundvertrauen rütteln: Der Lehrer möchte nach bestem Gewissen unterrichten und der Schüler möchte nach bestem Gewissen lernen. Habe Vertrauen, Respekt und bleibe trotzdem vernünftig.



„Es gibt zwei Fehler auf dem Weg zur Meisterschaft:

1. Die Reise nicht beginnen.

2. Den Weg nicht bis zum Ende gehen.“

- Shaolin Temple Europe


Anregungen für dein Training


Das richtige Verständnis vom Training ist entscheidend für den Transfer in den eigenen Alltag. Dort sollen sich die "Früchte der harten Arbeit" zeigen und etablieren (nicht nur im Trainingskontext).

Es gibt Zeiten des Lernens und Zeiten des Übens. Beides gehört zueinander, ist aber nicht das Gleiche. Wenn der Schüler einmal pro Woche zum Training geht, ist dies eine Zeit des Lernens (neue Techniken, Konzepte, Anwendungen etc.). Diese Inhalte müssen dann regelmäßig geübt werden. Du kennst bestimmt den Spruch „Der Meister kann den Weg nur zeigen, gehen muss ihn der Schüler selbst.“ - genauso verhält es sich mit dem Lernen und Üben. Wer sich daran hält, erzielt sehr schnell Erfolge (Anstieg von Dehnung, Kraft, Gesundheit, Koordination etc.).

Im Umkehrschluss.... Wer nicht bereit ist, regelmäßig Zeit für das eigene Training zu "opfern", sollte überlegen, ob die angestrebte Gesundheit, Zufriedenheit und Verbesserung überhaupt wichtig genug sind.


Die Kunst des Integrierens liegt darin, das eigene "Warum" zu kennen und dafür zu brennen. Anfangs braucht es eventuell Selbstdisziplin und -wirksamkeit, um den Alltag so zu verändern, dass neue Aspekte darin Platz finden. Aber nach spätestens 3-4 Wochen sollte es einen neuen Alltagszustand geben, der all die neuen Ansprüche berücksichtigen kann. Wenn nicht, dann muss neu geschaut werden, wie die Trainingsinhalte angepasst werden können - ein guter Mentor ist da Gold wert! Plane Unlust mit ein und habe passende Strategien parat - und vergiss nicht: du gehst diesen Weg, um dir selbst einen Gefallen zu tun!


„Wenn du dich verändern willst, tue es jeden Tag.“

- Konfuzius



Abschließende Gedanken

Ich bin ein Fan von Metaphern und Bildern, die einen Sachverhalt von verschiedenen Seiten beleuchten können. Ein passendes Bild an dieser Stelle könnte die Entscheidung einer Reise sein. Möchtest du eine Kajaktour machen oder eine Kreuzfahrt? Beide Reisen sind ähnlich, aber auch grundverschieden. Wenn du die Erlebnisse einer Kajaktour haben möchtest, darfst du nicht den Komfort und Reisebedingungen einer Kreuzfahrt erwarten!



Weitere Zitate/Impulse zum Thema "Schüler":


„Jeder weitere Schritt führt mich zu neuen Erfolgen.“

„Lerne die Form, aber suche das Formlose.“ - Bruce Lee

„Versuche nicht schlauer zu sein als der Lehrer/Meister.“

„Mach das, was der Meister sagt. Mach nicht, was der Meister nicht sagt.“

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